Presse
 
Berliner Zeitung 25.März 2006

 Armin Petras, übernehmen Sie!
Dem künftigen Intendanten des Maxim-Gorki-Theaters Armin Petras sei dringend eine Inszenierung aus dem laufenden Spielplan zur Übernahme empfohlen. Was, wenn nicht "Katzgraben“: Umschulung schnell gemacht“ passte besser zum Gepräge Petras’, der jüngst wieder DDR-Vergangenheit als "Kasperletheater“ (Frankfurter Rundschau) aufarbeitete? Die beiden Puppenspieler Hans-Jochen Menzel (Ost) und Melanie Sowa (West) hauen so etwas von komisch, wild und unverklemmt die DDR der 50er Jahre auf die Bühne, dass einem bei aller Fröhlichkeit ein Schrecken in die Glieder fährt: Wie wenig sich verändert hat!

 
Berliner Zeitung vom 07.11.05

Nicht winken! schreit Brecht
Verwegen und charmant: "Katzgraben" nach Strittmatter im Gorki Studio
Katja Oskamp

Brecht ist höchstens 30 Zentimeter groß und probt am BE das neue Stück von Strittmatter. Helene Weigel kommt zu spät und haut Erwin Geschonneck eine vor den Latz. Der kippt um und lacht sich scheckig. Wenn einer von der Bühne abgeht, schlenkern alle mit den Ärmchen. "Nicht winken!", schreit Brecht und klemmt sich verzweifelt das Regiehaupt zwischen die Händchen. "Katzgraben: Umschulung schnell gemacht", dritter von sechs Teilen der Serie "Arbeit für alle!" im Gorki Studio, ist ein Abend mit Puppen nach Erwin Strittmatter.

Im Stück wird der Interessenkonflikt zwischen Groß- und Kleinbauern im Dorf Katzgraben durchbuchstabiert. Verwegen, charmant und neugierig schnipsen die Spieler Melanie Sowa und Hans-Jochen Menzel sich und uns in die fünfziger Jahre zurück. Arbeiter- und Bauernmacht kontra verlogene bürgerliche Moral. Und: neue Stücke für neue Menschen. Das müssen Genosse Jochen und seine Assistentin morgen früh siebzig Umschülern beibringen, die zu Kulturschaffenden umgemodelt werden.

Probehalber gehen sie die Sache gemeinsam durch. Genosse Jochen (Jackett und Gummistiefel) erweist sich als feuriger Agitator. Seine Gehilfin aus Heilbronn ("aus Überzeugung" rübergekommen, Blauhemd, Westschuhe) kann viel von ihm lernen. "Wenn das Land Puppenspieler braucht", ruft Jochen ins Publikum, "dann müsst ihr eben welche stellen!" "Du!" piekt er einen mit dem Zeigefinger heraus, und erläutert der Assistentin : "Immer gleich den einzelnen direkt ansprechen, weeßte!" Die junge Dame versucht es auch mal. Dann wird den Genossen das neue Stück offeriert. Doch auch das befindet sich erst im Probenstadium, wenn auch in legendärem - berühmt geworden durch den erwähnten, nun geschrumpften Bertolt Brecht.

Dieser zankt sich hinten mit seinen Schauspieler-Puppen, flirtet hinter dem Rücken der Weigel rum und raunt einer Angebeteten ins Ohr, wie man die Weißwurst richtig "auszutzelt". Zur Krönung der Umschulung wird der neue Mensch leibhaftig geboren, sprengt mit seinen Ausmaßen jede Puppenbühne. Der lebensgroße Schaumstoffkopf (Puppenbau: Suse Wächter) führt als Gliedmaßen langgezogene Damenstrumpfhosen mit sich. Dann schneidet sich der neue Mensch Arme und Beine ab, rupft sich das Gehirn aus dem Schädel und verstaut es tief im Einweckglas. "Kann man ja später mal wieder aufwecken", schlägt die Assistentin vor. Es war eben alles erst eine Probe.

Es bleibt das wunderbare Rätsel dieses Theaterabends, wie zwei Menschen mit vier Händen es schaffen, derartige Massentumulte zu erzeugen und nebenbei stramm drei Geschichten parallel zu erzählen. Man darf sich, wenn man fertig gelacht hat, getrost vor ihrem Können verneigen.

Neues Deutschland 20. Dezember 2005
von Gunnar Decker
 
Alle suchen den neuen Menschen. Falsch: Alle tun so, als ob sie ihn suchen. Aber was hat der neue Mensch, was der alte nicht hat? Der alte Mensch ist von Gestern und neue von Morgen. Und heute? Heute ist Chaos. Aber Chaos ist gut fürs Spiel. "Das Obst wird umgeschult!“, dieser Ruf schallt uns aus Erwin Strittmatters „Katzgraben“ entgegen. Aber aus dem Bauern macht man alles, nur keinen neuen Menschen. Das muss dann auch der Autor erkennen, aber erst später. In Brechts Theater, für das der junge Strittmatter sein Aufbruchsstück geschrieben hatte, kämpfen Pathos und Chaos verbissen um die Zukunft. Noch gewinnt das Pathos: „Kein Halm, kein Strauch darf unerkannt, darf ungenutzt verblühn.“ Aber das Chaos kann auch schöpferisch sein (Brecht inszeniert!).
Aus Strittmatters großem Umschulungsstück haben Melanie Sowa und Hans-Jochen Menzel ein kleines gemacht. Noch kleiner geht es nicht als im Spiel mit Puppen. Brecht inszeniert Strittmatters "Katzgraben“ hier so, dass man ihn sich nach diesem Abend gar nicht mehr anders vorstellen mag. Brecht, eine Puppe unter Pupen, aber vielleicht die wichtigste. Ein Spiel mit Bedeutungen, wie sie verschiedener nicht sein könnten. Denn die beiden Puppenspieler Melanie Sowa und Hans-Jochen Menzel treten auch gleichsam leibhaftig auf, wollen oder sollen mit "Katzgraben“ einen Umschulungsnachmittag für Theater- und Kulturhausleiter (alle noch dem bürgerlichen Theater verhaftet!) veranstalten. Was wir nun sehen heißt dann "Katzgraben: Umschulung leicht gemacht“. Das Doppelleben der Puppenspieler: Zwei FDJ-Funktionäre im Blauhemd, ohne Furcht vorm groben Agitprop-Knüppel. Man muss die Menschen eben auf der Straße in eine leuchtende Zukunft voranprügeln, wenn sie freiwillig nicht gehen wollen. Das ist das sowjetische Modell des Fortschritts in den frühen 50er Jahren. Man demontiert sich selbst im demonstrativen Modellieren des neuen Menschen. Umschulung? Heute klingt das Wort allerdings anders. Nicht mehr noch Vorangestoßen-Werden in eine paradiesische Zukunft, sondern nach Abriss und nach illusionsloser Warteschleife über dem Abgrund des Sinnlosen.
In Strittmatters „Katzgraben“ geht es sinnig-symbolischerweise auch um eine neue Straße, die er reaktionäre Großbauer verhindern will. Natürlich kommt sie trotzdem. Mit der entzsetzlich penetranten Didaktik dieses Stück zu spielen, in dem man sie auch (ein wenig) ernst nimmt, darin besteht die Kunst diese Puppen-Theater-Abends. Eine Theater-Urzeugung aus dem Spiel heraus, die vermutlich sogar Brecht selber gefallen hätte, denn hier geht es um Erinnerung an weit zurückliegende Selbsttäuschungen. Frech-ironisch ist das, aber das Gegenteil einer Denunziation. Aufklärung, die entzaubert und sofort wieder neu bezaubert mit artistischen Mitteln. Es entsteht eine faszinierende Unmittelbarkeit. Wir sind immer dabei: im „Katzgraben“, wenn Brecht das Stück inszeniert und wenn die beiden trist-auftrumpfenden DFJ-Agitatoren hier wider Willen beweisen, dass es wohl nie so etwas wie einene neuen Menschen geben kann. Wir sitzen wie im Fahrstuhl zwischen den Bedeutungsebenen – man spielt uns schwindlig wie Diego Maradona (in guten Tagen) jede Abwehrreihe.
Als Puppen werden sie erst wirklich zu Menschen: die Brecht, Weigel, Schall, Geschonneck. Eva-Maria Hagen mit lang wallendem Haar, das sie so femme-fatal-sinnlich zurückzuwerfen versteht, bringt Brecht nicht nur zu Weißwurstdiskursen, sonder auf Abwege, die in Strittmatters großem Wegbau-Epos gar nicht vorgesehen sind und Geschonnek ist, auch als zynischer, Schinken versteckender Großbauer, immer die von den Stühlen fegende Unholdstimme, die wir aus dem "Kalten Herz“ kennen. Das ist intelligent, herrlich überspitzt und kommt immer ebenso überraschend wie maßlos daher. Großartig!
 
Thüringer Landeszeitung
Von Dagmar Obst Altstadt
 
Vom neuen Menschen und seinen vielen neuen Aufgaben "Katzgraben“:
Ein Abend im Waidspeicher mit Brecht, Menzel, Sowa und Strittmatter – Puppenspiel-Erlebnis der ganz besonderen Art. Schauspieler sind faul. Wer weiß das nicht? Wenn man sie nicht zwingt, dann werden sie uns ewig und drei Tage mit dem einmal gelernten Hamlet oder Faust malträtieren, und das bis zum St.-Nimmerleins-Tag. Was man dagegen tun kann? Tja, Genossen, man muss ihnen neue Stücke vorsetzen! Mit solchen und ähnlichen Sätzen stellt sich Hans-Jochen Menzel am Freitagabend seinem begeisterten Publikum. Das Gastspiel von Menzel und seiner zauberhaften Praktikantin Melanie Sowa (beide im FDJ-Hemd!) sorgt nicht nur für ein ausverkauftes Haus im Erfurter Waidspeicher- Puppentheater, sondern vor allem für einen absolut unterhaltsamen Abend. …
Katzgraben: Umschulung leicht gemacht
(Jochen Menzel & Melanie Sowa, Berlin)

nach einer Erzählung von Erwin Strittmatter für Zuschauer ab 16

Ein Umschulungsnachmittag für künftige Theater- und Kulturhausleiter wird geplant - wir sind in der DDR in den 50er Jahren - und Erwin Strittmatters Agitprop-Komödie "Katzgraben" soll das Anschauungsmaterial sein. Doch irgendwie geraten den beiden Protagonisten im Blauhemd der FDJ bei der Vorbereitung der Veranstaltung vor lauter Spielfreude die Bedeutungsebenen durcheinander, erscheint als Handpuppe plötzlich Bertolt Brecht höchstselbst auf der Bühne, inszeniert mit den Schauspielern vom Berliner Ensemble "Katzgraben"“ und führt Weißwurstdiskurse, wo er doch nach dem neuen Menschen suchen will. Eine wunderbar witzige Inszenierung voll faszinierender Direktheit, deren Akzente weit in unsere Zeit hineinreichen.

von und mit: Melanie Sowa und Hans-Jochen Menzel
Puppen: Suse Wächter

Leipziger Erstaufführung, Do, 26.10.2006, 20:30 Uhr, naTo - Leipzig

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